Offener Brief vom 28.04.2015                                                                                                               27.04.2015

Sehr geehrter Herr Saure,

bei der „Energiewende“  reagiert die Bundesrepublik Deutschland auf den Klimawandel, der weltweit die Lebensgrundlagen von vielen Millionen Menschen bedroht.
Deshalb hat sich die Bundesregierung, genau wie viele andere Regierungen, dazu verpflichtet, den Ausstoß klimarelevanter Gase möglichst schnell und deutlich zu vermindern.
Hierzu sind Maßnahmen in den Bereichen Stromerzeugung, Wärme, Verkehr und konventionelle Landwirtschaft erforderlich.
Die Minderungsziele für Kohlendioxid sind ohne eine drastische Reduktion der Kohleverstromung nicht zu schaffen. Insbesondere die Braunkohle mit dem höchsten CO2 Ausstoß pro erzeugter Kilowattstunde wird hier betroffen sein. Durch die Errichtung von Kohlekraftwerken sind erhebliche Einschnitte in ganze Landstriche und Dörfer getätigt worden.
Da sich erfahrungsgemäß leider Energieeinsparungen kaum realisieren lassen (zu einer Änderung ihres Mobilitäts-oder Reiseverhaltens, ihrer Konsumgewohnheiten usw. sind nur wenige bereit), sind die vom Netz gehenden Kapazitäten von Atom- und Kohlekraftwerken durch heimische, regenerative Energien zu ersetzen.
Idealerweise sollte der benötigte Strom auch dort produziert werden, wo er gebraucht wird, um den Leitungsausbau zu begrenzen und nicht die Belastungen der Stromerzeugung anderen Regionen aufzubürden.
Dabei werden Windkraft, Photovoltaik und Solarthermie die tragenden Säulen sein.
Jegliche Art von Energieerzeugung ist mit Belastungen verbunden.
Die sicherlich schonendste Art ist Solarenergienutzung auf vorhandenen Dachflächen. Leider wurden durch die amtierende CDU-SPD Bundesregierung die Bedingungen der Nutzung derart verschlechtert, dass die Neubauraten auf etwa ein Viertel zurückgegangen sind.
Die Windenergie wird den Hauptteil der Strommenge künftig liefern müssen, da mit ihr auf kleinem Raum viel Energie bereitgestellt werden kann. Die Technik ist ausgereift, die Flächeninanspruchnahme ist gering und die Stromgestehungskosten sind am günstigsten.
Deshalb herrscht hessenweit unter den großen Parteien und Naturschutzverbänden Konsens, dass der notwendige Windenergieausbau auf 2 % der Fläche erfolgen soll. Das laufende Verfahren dient dazu, Flächen zu finden, wo dies technisch sinnvoll ist und die immer vorhandenen Beeinträchtigungen für Mensch und Umwelt möglichst gering sind.

Der Korbacher Stromverbrauch ist seit Jahren etwa konstant hoch und lag 2009 bei 157 Mio Kilowattstunden. (Landkreis 950). Selber erzeugt in den beiden Biogasanlagen, der Müllverbrennungsanlagen, Blockheizkraftwerken, Photovoltaikanlagen und den bisherigen Windenergieanlagen wurden ca. 24 Mio KWh. Wenn man diese Stromerzeugungslücke vor Ort schließen will, bedeutet dies eine Zubaunotwendigkeit von etwa 20 Windkraftanlagen.
Wir gehen davon aus, dass die nun anstehende Standortauswahl in einem rechtsstaatlich sauberen Verfahren mit nachvollziehbaren, öffentlich gemachten Kriterien, die vielfach auch einer verwaltungsgerichtlichen Überprüfung standhalten werden müssen, erfolgt.

Wir freuen uns über Ihr zum Ausdruck gebrachtes Interesse am Naturschutz. Bei der Ausweisung von FFH-Naturschutzgebieten vor einigen Jahren war leider von Stadt und Ortsteilen noch einiger Widerstand gekommen. Hätten wir heute mehr und größere Schutzgebiete, in denen sich eine hochwertige Naturausstattung nachweisen ließe, kämen Windkraftanlagen an solchen Orten kaum in Frage. Auch unsere Bemühungen um mehr Naturschutz im Stadtwald durch eine umweltgerechte Bewirtschaftung nach den FSC-Kriterien wurden leider noch nicht umgesetzt. In vielfach vorhandenen monotonen Fichten – und Douglasienforsten lässt sich kein Roter Milan nieder und auch andere seltene Tierarten kommen dort eher nicht vor. Argumente gegen Windkraftanlagen würden in einem solchen Wald kaum Bestand haben.

Die von Ihnen angeführten Beeinträchtigungen sind im Vergleich zu anderen Formen der Energieerzeugung sehr gering und ihre Einschätzung in diesen Punkten teilen wir nicht.
Aufgrund des Mindestabstandes von 1km sind etwaige Schallemissionen nicht wahrnehmbar. Der emittierte Infraschall liegt weit unter anderen natürlichen Quellen bzw. anderen Zivilisationsquellen (Verkehr, Industrie) und ist ab 600m Entfernung zur Windenergieanlage nicht wahrnehmbar, wie jüngst eine Untersuchung des Bayerischen Landesamtes für Umwelt ergeben hat. Stoffliche Emissionen über die Luft wie zum Beispiel Quecksilber, Staub oder Stickstoffverbindungen wie sie der Bevölkerung beispielsweise von der Müllverbrennungsanlage zugemutet werden, fallen selbstredend hier nicht an. Beeinträchtigungen des Fremdenverkehrs wurden in anderen Regionen, die bereits über ausgebaute Windenergieflächen verfügen nicht festgestellt. Bei der Genehmigung der einzelnen Anlagen wird von den Genehmigungsbehörden sehr genau auf etwaige Konflikte mit dem Naturschutz geachtet.

Aufgrund der vorgenannten überragenden Bedeutung für den Umwelt- und Klimaschutz und die Energiewende bei gleichzeitigem Schutz von Mensch und Natur befürwortet die Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen die Pläne zu Errichtung von Windvorrangflächen in Korbach.

Gegendarstellung Herr Dr. Michael Stiehl                             Gegendarstellung Herr Reinhard Seifahrt